Alles hat so gut angefangen: Die Weltwirtschaftskrise schien überwunden, der Konjunkturmotor kam so richtig ins Laufen, der Stier zeigte auf dem internationalen Börsenparkett seine blank polierten Hörner... Ein Hilferuf von der Akropolis allerdings brachte die Euphorie ins Stocken, die Eurozone geriet in ihre schlimmste Krise seit dem Bestehen der Gemeinschaftswährung. Inzwischen hat gar die Konjunktur der führenden EU-Wirtschaftsnationen Aussetzer. Noch derer kleine - wer weiß, was die Zukunft bringen wird. Immer lauter wird der Ruf nach Eurobonds, also EU-Anleihen. Hierdurch könnten - wie etwa im Falle Griechenlands - die Staatsanleihen in EU-Anleihen umgetauscht werden. Für das krisengeschüttelte Land eine gute Möglichkeit, wieder kreditwürdig zu werden, da die gesamte EU dann die Schulden übernehmen müsste. Genau dies ist auch jener Knackpunkt, den Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel auslotet. Sie befürchtet, dass solch reiche Nationen wie Deutschland tief in die Geldtasche greifen müssen, um solch armen Ländern wie Griechenland oder Portugal aus der Patsche helfen zu können. So könnte etwa der Sparwillen der Regierungen dadurch gebrochen, eine solide Haushaltsführung nur halbherzig durchgezogen werden. Auch Frankreichs Ministerpräsident Nicolas Sarkozy betonte nach dem zweistündigen Gespräch mit seiner Amtskollegin, dass ein solcher Eurobond am Ende eines Integrationsprozesses stehen könnte, nicht am Beginn. Experten hatten zuvor daran gezweifelt, ob Frankreich - angesichts einer evtl. bevorstehenden Rating-Abwertung - die beim Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs vorgebrachte Meinung nach wie vor vertreten werde. Merkel und Sarkozy präsentierten eine eigene Lösung: Eine gemeinsame Wirtschaftsregierung soll künftig über alle Staaten der Euro-Zone wachen. Der Präsident wird alle zweieinhalb Jahre durch die Staats- und Regierungschefs gewählt. Erster ernstzunehmender Kandidat könnte der EU-Ratspräsident Herman van Rompuy sein. Außerdem soll in den Verfassungen der Staaten eine Schuldenobergrenze nach deutschem Vorbild verankert werden. So darf der Bund bis vorerst 2016 keine Neuverschuldung eingehen. Merkel spricht von einer "Selbstbindung der Länder". Finanz-Experten allerdings befürchten, dass Ausgaben aus dem Haushalt entsprechend verlagert werden, da diese "Schuldenbremse" nur Bundesanleihen, Schatzbriefe und Bankdarlehen betreffe. Außerdem soll ab dem Herbst eine europaweite Finanztransaktionssteuer diskutiert werden. Frankreich und Deutschland werden enger zusammenarbeiten - so sollen bei Haushaltsaufstellungen die beiden Kabinette gemeinsam tagen und eine grenzüberschreitende Körperschaftssteuer eingerichtet werden. Zurufe kamen aus Brüssel. Dort wurde das Ergebnis des Krisengipfels durch die EU-Kommission begrüßt. Buh-Rufe hingegen aus Deutschland; so meinte die Bundesvorsitzende des Bündnis 90/Die Grünen, Claudia Roth, in einem Interview in der ARD, dass "viel Lärm um nichts" veranstaltet worden wäre. Auch der Fraktionschef der SPD, Frank-Walter Steinmeier, betont, dass zwar eine gemeinsame Wirtschaftsregierung der richtige Weg sei, die überschuldeten Länder jedoch dadurch keine Hilfe erfahren. Es werde ein guter Feuerlöscher benötigt. Wenn künftig die Brandmelder besser funktionieren, so könne dies den derzeit lodernden Brand nicht löschen. Bei den beiden Verhandlungspartnern gab es ein hörbares Aufatmen. So flüsterte der Franzose Sarkocy nachdem die Deutsche Merkel ihre Sicht der Ergebnisse kundgetan hatte, dieser ins Ohr: "Merci beaucoup Angela!" Nicht auszudenken, was wohl geschehen wäre, wenn es zu keiner Einigung gekommen wäre. Noch im Juli musste der große Bruder von jenseits des Atlantiks, Barack Obama, vermitteln. EU-Ratspräsident Van Rompuy bescherte hingegen so manchen Politikern und hochrangigen Beamten in Brüssel eine kurze Sommerpause - eine EU-Arbeitsgruppe soll bereits im Oktober erste Vorschläge für die Krisenbewältigung vorlegen. Lange Vorarbeiten sind fehl am Platz. Die Börsen reagieren gegenwärtig auf jede noch so kleine Meldung. Dies macht sich auch außerhalb der Eurozone bemerkbar. Kam es nach dem Treffen der Staats- und Regierungschefs im Juli auf den Finanzmärkten in Fernost zu einer Stärkung des Euros gegenüber dem Dollar, so beobachten die Nicht-Euro- aber EU-Staaten Großbritannien und Schweden sehr intensiv die Entwicklungen in der Euro-Zone. Schließlich bestehen engste wirtschaftliche Beziehungen, was ebenfalls zu Störungen in der Konjunktur der Nicht-Euro-Staaten führen kann. Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler fordert zu diesen beschlossenen Maßnahmen noch zusätzlich eine Stabilitätsunion, in welcher über Rettungsmaßnahmen entschieden wird sowie automatische Sanktionsmaßnahmen. Letzteres allerdings hat Frankreich bereits abgelehnt. Somit könnte dies künftig zu einem weiteren Streitpunkt werden. In der EU-Kommission wird hingegen ein Aufstocken des derzeit 440 Milliarden € schweren Rettungsfonds diskutiert. Bundestagsabgeordnete bringen den Verkauf der Goldreserven der angeschlagenen Staaten ins Spiel! Eines hingegen scheint so gut wie sicher: Nur nationale Reformen können dazu führen, dass Investoren wieder Vertrauen finden. Klarheit herrscht jedoch in Belgien, Frankreich, Deutschland, Italien und Spanien über das Verbot von ungedeckten Leerverkäufen. Dabei werden Aktien durch einen Händler verkauft, obwohl er diese nur geliehen hat. Sinkt nun der Kurs, werden sie wieder aufgekauft und dem eigentlichen Besitzer zurückerstattet. Der Gewinn, erzielt aus der Kursdifferenz, bleibt beim Händler. Ein wahrhaft gefährlich-spekulatives Geschäft. Jetzt wartet Europa darauf, dass auch die britische Regierung Cameron hier einen Riegel vorschiebt, da einige Hedge-Fonds in London noch fleißig auf diese Art weiterspekulieren. Somit kann von einer Bewältigung der Krise auch nach dem Pariser August-Treffen keine Rede sein. Der Finanzminister Luxemburgs, Luc Frieden, hatte es vor dem EU-Krisen-Gipfel auf den Punkt gebracht: Die Lage ist sehr ernst, schließlich geht es nicht nur um Griechenland, sondern vielmehr um die Stabilität des Euros! Ulrich Stock |
TAM-Wochenblatt Ausgabe 24 KW 34 | 24.08.2011 |
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